Zora, 23, stolze Teppichbesitzerin

Donnerstag, 28. Januar 2021 Rovaniemi, Finland

Liebe Fangemeinde,
mit 4 Tagen Verspätung melde ich mich heute am Donnerstag nun mit meinem Montags-Update.
Habe mir vor ein paar Tagen beim Kuchenschneiden in den Finger gehobelt und mit nur einem Daumen tippt es sich doch beträchtlich langsamer. Ich hoffe ihr könnt mir verzeihen, es soll nicht wieder vorkommen.
Nun aber zu meinem Wochenrückblick, auf den ihr sicherlich schon sehnsüchtig wartet:

Montag beginnt mit unserer ersten Vorlesung an der Uni. "Arctic Design and Visual Culture" in F113. Den Raum finden wir erst nach etwas suchen, und let me tell you: in Augsburg sind wir wirklich verwöhnt was Architektur und Einrichtung der Hochschule angeht. Fühlt sich weniger nach Uni als nach Uniklinik an.
Die Vorlesung ist ganz interessant, aber 2 Stunden aufmerksam jemandem zuhören, der sich mit englischer Grammatik und Aussprache schwer tut (was ja unter Umständen vollkommen in Ordnung ist) ist minimal anstrengend. Was ich aus der Vorlesung wertvolles mitgenommen habe? Definitiv, dass Grouse auf deutsch Auerhahn heißt und dass das Tannenhuhn, eine Untergattung, ein super super hübsches Federkleid hat. Kommt auf die Muss-ich-unbedingt-mal-zeichnen-irgendwann-(probably-never)-Liste.
Am Dienstag nehmen Anne (A) und ich (Z) dann die lange lange Wanderung zum Second-Hand Laden auf uns. Und großer Shoutout an alle Götter die's möglich gemacht haben: ich bin nun stolze Besitzerin eines Teppichs! Nachdem ich bei Ebay und Facebook Marketplace jede Anzeige durch gegangen bin, war der Second-Hand meine letzte Hoffnung. Der Teppich ist bisschen klein und er franzelt an manchen Stellen ein bisschen auseinander aber da hat er immerhin schon was mit meinen Nerven gemeinsam. Haha. Ha. Nein alles gut, bin nur wegen den Abgaben in Augsburg büschn gestresst.
Außerdem ersteige ich für einen kleinen Obulus (wirklich, also, war überhaupt gar nicht teuer..) einen Emaille-Topf in knalligem Orange-rot. 
Anne findet außerdem ein Telefon in der Form eines roten High-Heels, da wir aber keinen Telefonanschluss in der Wohnung haben, müssen wir uns leider gegen dieses Stück erstklassiger Inneneinrichtung entscheiden.
Am Mittwoch stirbt in der Pause der Online-Vorlesung der Bruder des Profs, aber der zieht einfach knallhart durch.
Am Freitag stehen wir 30 Minuten vor dem gleichen Vorlesungssaal wie am Montag und warten auf unseren Dozenten, der aber einfach nicht auftaucht. Irgendwann kommt jemand auf die Idee, mal zu testen ob die Türe vielleicht geöffnet ist und siehe da: der gute Herr sitzt einfach seit einer halben Stunde hinter seinem Pult. Aber anstatt schnell vor die Tür zu schauen ob vielleicht schon jemand da ist, schreibt er nach 20 Minuten einen Beitrag auf Moodle (!) und lehnt sich wieder entspannt im Büro-stuhl zurück. Alright. 
Ansonsten lerne ich Freitagabend bei Johannes und Tom ein Kartenspiel, dessen Namen ich mittlerweile aber schon wieder vergessen hab. Irgendwas mit weiterschieben und angreifen und es fängt mit D an glaube ich. Schreibts mir in die Kommentare, wenn ihr's kennt haha. 
So, das war' dann auch schon wieder von meiner Seite. 

Bis Baldrian, 
Eure Zora <3

PS: Beim ersten Bild gehen die Credits an Anne (@anne_rsh)

Hei

Montag, 18. Januar 2021 Rovaniemi, Finland

Dafür das Finnland eines der digitalisiertesten Länder der Welt ist, haben sie zumindest in der Einführungswoche mit einem Programm gearbeitet, dass sich anfühlt wie nach der 5. Klasse nach Hause zu kommen, Windows XP hochzufahren und mit einem Nutella Brot auf dem Teller neben der Tastatur mit den gleichen drei Freunden zu chatten, mit denen man noch keine 20 Minuten vorher im Bus saß. Adobe Connect sieht halt einfach aus als hätte man seit 12 Jahren bei den Updates immer auf "morgen erinnern" geklickt. 

Aber historische Software mal beiseite: viel neues gelernt hab ich in der Woche jetzt nicht unbedingt. Einzig wirklich wertvolle Information: bei Emails schreiben die Finnen einfach "Hei". Sonst nix. Keine Anrede, kein "Eure Hochwohlgebornen und Hochadligen Damen und Herren" oder was sonst bei email-anrede-fuer-dummies.de empfohlen wird. Find ich könnten wir auch in Deutschland so etablieren.
Highlight der Woche: Annes Pizzaboden. Und Annes Zimtschnecken. Generell wenn Anne backt (man könnte voll gut "Wenn Inge tanzt" auf "Wenn Anne backt" umdichten ... schreib ich mir mal ins Dumme-Ideen-Notizbuch). 
Keine Ahnung ob das in Finnland normal ist, aber wir haben eine Schublade, die keine Schublade sondern heimlich n Schneidebrett ist. Das seht ihr rechts auf dem Bild. Ganz praktisch, aber am Anfang auch sehr verwirrend. 

Außerdem im heutigen Wochenrückblick: das erste mal wieder mit mehr als 2 Menschen in einem Raum gewesen! Freitag Abend waren Johannes+Mitbewohner (Tom aus Bielefeld) und Chaewon (aus Korea) auf ein paar Bier bzw Vodka-Tonic Mischungen da. Wusstet ihr, dass man in Korea sein Alter anders berechnet als bei uns? Sobald man geboren ist, ist man automatisch 1 Jahr alt, und zu jedem Neujahr kommt ein weiteres dazu. Wer also im Dezember geboren wurde, ist im Januar darauf bereits 2 Jahre alt. Alle 4 Deutschen im Raum: xx An dem Tag hatte es dann auch rekordmäßige -29 Grad und wir dachten uns natürlich, warum nicht mal 1,5h spazieren gehen. Und tatsächlich würde ich das jedem weiter empfehlen, der mal ausprobieren will wie es sich anfühlt, vereiste Wimpern und Augenbrauen zu haben. Eher unpraktisch wenn man ein Fan vom blinzeln ist.
War aber doch ganz produktiv, hab mir einen Cardigan in der Farbe des Himmels der letzten Woche (grau) und eine Jeans gekauft (und Mama du wirsts nicht glauben: die geht mir sogar ÜBER die Knöchel! Hoffe du bist stolz).   
Und hier seht ihr Anne nochmal im National-Geographics-Mode.

Bilderbuch 01

Donnerstag, 14. Januar 2021

Immer positiv bleiben!

Montag, 11. Januar 2021

Die letzten Tage waren recht uneventvoll, hier mal die wichtigsten Sachen kurz und knaggich zusammen gefasst: 

● am Donnerstag hatte endlich der Recycling Room der Uni geöffnet, wo wir uns mit Decken eingedeckt und einen Wäscheständer gesnacked haben. Außerdem kamen noch ein paar Gardinen dazu und eine Tischlampe, die endlich meine Krankenhaus-deckenleuchte abgelöst hat.

● Außerdem kam am gleichen Tag morgens das Ergebnis unseres Corona-Tests: Negativ. Hurra Hurra!
Da ich die nächsten Tage sowieso niemand gesehen hätte, hab ich mich dann dazu entschlossen es dabei zu belassen und die restliche Zeit zu quarantänieren.

● Unsere Nachbar:innen über uns durften wir diese Woche auch schon durch unsere Abzugshaube kennen lernen. Die verhält sich so bisschen wie ein Sprachrohr, so dass wir super mitbekommen, wenn die Damen und Herren der oberen Etage um 0:35 Uhr meinen, Diamonds von Summer Cem auf voller Lautstärke dröhnen zu müssen.
Ich hab schon auf Google Translate einen kleinen Warnbrief verfasst. Den kriegen sie bei nächster Gelegenheit dann mit unserer Box in die Röhre geballert! (Eventuell sind Anne und ich im Herzen bereits 80 Jahre alte Rentner und haben Zwerge im penibel gepflegten Vorgarten stehen, wer weiß...)

●  Spaziergänge in die Innenstadt


Laune ist noch top, morgen geht die Einführungswoche los und zu Mittag gibts Kartoffeln. Also alles supi dupi.

HEL of a ride

Mittwoch, 6. Januar 2021 Rovaniemi, Finland

 

Es fängt alles ganz entspannt an. Aufstehen, duschen, Tofu-Scramble frühstücken und ab auf die Autobahn. In München gehts dann los: eine Runde um den kompletten Flughafen gedreht und immer noch nicht den richtigen Parkplatz gefunden. Schlussendlich stellt sich raus dass wir direkt am Anfang an der richtigen Ausfahrt vorbei gefahren sind. 


Naja. 


Weiter gehts: endlich am Flughafen angekommen, Maske auf und erstmal komplett mit uneingechecktem Gepäck in die Sicherheitskontrolle gesteppt. Unser Gehirn haben wir wohl kollektiv am Ortsschild München abgegeben. 
Der gute Beamte an der Kontrolle erklärt mir gaaanz laaangsam und detailliert, dass ich erst mein Gepäck abgeben muss und dann wieder kommen soll. Rot wie ne Tomate lauf ich daraufhin zum Check-In-Schalter. 
Nachdem ich mein Gepäck also ordnungsgemäß (!) eingecheckt habe gehts wieder zur Sicherheitskontrolle zurück. Mittlerweile schwitze ich in meiner fetten Winterjacke und den dicken Wanderschuhen wie ein Wasserfall und die Frau, die mich auf Bomben oder was auch immer abtasten muss ist wirklich nicht zu beneiden. Nachdem feststeht, dass ich nicht heimlich das Flugzeug in die Luft sprengen oder größere Mengen Leberkäse zur illegalen Distribution nach Finnland schmuggeln möchte darf ich also weiter. 
Im Flugzeug schaffe ich es knapp, mich vor der Verantwortung über den Notausgang zu drücken und stelle amüsiert fest, dass Finnair natürlich Pappbecher und Servietten von Marimekko hat und nicht irgendwelchen Noname-Dinger. Mag zwar weder Tee noch Kaffee, aber bin fast versucht zu fragen ob ich auch einfach nen leeren Becher haben kann. 

In Helsinki steigen wir in eine Mini-kleine Propeller-Maschine um, bei der es sich plötzlich 10 mal wahrscheinlicher anfühlt, irgendwo im Eis abzustürzen. Meine (gefühlt) letzten Stunden auf Erden verbringe ich also eingequetscht zwischen Fenster und einem finnischen Rainer Callmund-Verschnitt während vor mir ein Kind von ca. 4 Jahren es sich zur Aufgabe gemacht hat, mir heute mein Trommelfell platzen zu lassen. Fun times. 

Überraschenderweise landen wir dann doch in Rovaniemi und nicht wie die Titanic irgendwo in einem Eisberg. Und ebenfalls eine große Überraschung: es ist arschkalt
Der Taxifahrer wechselt mit uns - dem finnischen Klischee entsprechend - ganze 3 Worte: "Where to", "21,20€" und "Bye". I like.

Alles ist weiß und fühlt sich an wie bei Drei Haselnüsse für Aschenbrödel. Unser Appartement liegt direkt neben der Uni und ist erstaunlich groß. Die Zimmer haben zwar noch bisschen Gefängnis-Vibes, aber orange is ja the new black oder so.

Am nächsten morgen klingelt mein Wecker um kurz nach 7. Nach nem Tässchen Tee machen Anne und ich uns auf zu nem kleinen Spaziergang um den Block. Der Schnee knirscht richtig schön unter den Schuhen und außer uns und einer Frau und ihrem Hund ist sonst niemand unterwegs.
Wir laufen bis zu einem der kleineren Seen, dessen Oberfläche aus bis ca 15cm dickem Eis besteht. Anne bricht trotzdem erstmal direkt ein.

Nein Spaß, war tatsächlich ziemlich antiklimaktisch da drauf rum zu schlittern.
Hell wird es dann zum ersten Mal so gegen 10. Wobei hell auch nur heißt, es ist weniger dunkel und zusätzlich neblig. Sonne sieht man trotzdem keine. 


Ursprünglich hieß es zu uns, wir könnten direkt bei unserer Ankunft am Flughafen in Rovaniemi einen Corona-Test machen, die Frau am Infopoint hat uns allerdings nur fragend angeschaut und gemeint das gäbe es bei ihnen nicht. Deshalb machen wir uns also am Nachmittag auf zur Teststation in der Stadtmitte. Das Stäbchen in die Nase ist tatsächlich bisschen uncool, aber isch bin ja nich aus zucker wa? Bescheid kriegen wir in ca. 3 Tagen. Gugg mer mol.

Abends gibts das erste warme Essen in Tupperdosen und mit Campingbesteck: Ofenkartoffeln mit Ketsuppi.
Hört sich sowieso alles super cute an hier: majoneesi, banaani, rosmariini. Einfach n paar -i- dran hängen und schwupps, finnisch.

Ach ja, der Titel bezieht sich übrigens auf diesen krassen Schenkelklopfer vom Flughafen Helsinki: 

Hat paar Momente gebraucht bis ich den gerafft hab. 

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